In der Zentrale der staatsnahen Stiftung 'moderne21' geht es hoch her: Um die nur an einen einzigen Bewerber
zu vergebenen Fördergelder konkurrieren gleich vier Vereine, die jeweils einen Vertreter vorbeigeschickt haben.Die Kuratoren sehen sich vor eine schwere Wahl gestellt, denn die um die kräftige Finanzspritze streitendenDamen und Herren gehen alles andere als zimperlich miteinander um.
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KURATORIN der Stiftung moderne21
Sonja Schmidt-Peters
Sonja Schmidt-Peters von
der Stiftung `moderne21´ hat eine schwierige Wahl zwischen den
Berwerbern und ihrem jeweiligen Anliegen zu treffen. Um eine
Entscheidung zu fällen, erhalten alle vier ausreichend Zeit, die eigene
Initiative sachlich aber auch garniert mit der einen oder anderen
Anekdote zu präsentieren und sich von den Mitbewerbern abzugrenzen.
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KURATOR der Stiftung moderne21
Lars Wessel
Die Aufgabe von Lars
Wessel, der `rechten Hand´ von Kuratorin Schmidt-Peters ist es, die
Bewerberinnen und Bewerber um die Stiftungsgelder zu ermutigen, die
Unterschiede zwischen den jeweiligen Initiativen, möglichst deutlich
herauszustellen. Mit schönen Worten und gutem Zureden ist es hierbei
nicht immer allein getan.
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BEWERBERIN für Wahlabsage
Aleyna Goekdal
Aleyna Gökdal vertritt
die Initiative `Wahlabsage - Mehr Demokratie, weniger Politik´ aus
ureigenster Überzeugung. Litt sie doch als Jugendliche mit
Migrationshintergrund ganz besonders unter dem deutschen Schulsystem,
für das Gerechtigkeit und Gleichheit nach wie vor Fremdworte sind. Nur
die Politik kann hier ihrer Ansicht nach für Fortschritt sorgen.
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Es sei eine arrogante Umkehr der Verhältnisse, aber diese sei typisch für die 'neuen Hochmütigen' (DER SPIEGEL 38|2013)
"DER SPIEGEL hält in seiner Titelstory eine Hörspielfigur für real" (Markus Kompa in TELEPOLIS)
Ebenfalls über den Realitätsverlust des SPIEGELS in Bezug auf ein Hörspiel schreiben SPIEGELBLOG sowie SPIEGELKRITK
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BEWERBER für Dudelstopp
Hardy Klaschka
Der Initiative
`Dudelstopp – wollen wir Friedhofsruhe ?´ möchte der ehemalige Musiker
Hardy Klaschka Fördergelder sichern. Die Bewegung will der mit dem
demographischen Wandel aufziehenden Friedhofsruhe mit einem beherzten
Beschallungsprogramm entgegenwirken. So etwas kostet natürlich Geld,
denn selbst Konservenmusik ist nicht umsonst.
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BEWERBERIN für Wir sind wichtig
Manuela Holpert-Mang
Manuela Holpert-Mang ist
der Überzeugung, dass das Stiftungsgeld bei der Initiative `Wir sind
wichtig – der Wirtschaft zuliebe´ am besten angelegt wäre. Unterstützt
die Gruppe doch seit Jahren moralisch jene Menschen, denen die
vollständige Ausrichtung ihres Lebens nach den Bedürfnissen der Ökonomie
zunehmend Probleme bereitet.
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BEWERBER für Gewalt geht immer
Albrecht Opaschowsky
Die Initiative `Gewalt geht immer – violare humanum est´ schließlich
wäre für Albrecht Opaschowsky der geeignetste Nutznießer der Förderung.
Die Organisation räumt nach eigenen Angaben mit rosaroten Illusionen bei
der Kriminalpolitik auf und hilft so den Bürgern, die Gefahren des
Alltags realistischer einzuschätzen und sich selbst zu schützen.
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IM `KUNSTHAUS TACHELES´ DISKUTIERTE INITIATIVEN VON moderne21:
DIE NAMEN DER BETEILIGTEN SIND AUF DEN JEWEILS VERLINKTEN SEITEN AUFGEFÜHRT
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FÖRDERUNG
Staatsnah (geht die Moderne stiften)
Die
staatsnahe Stiftung moderne21 fördert jährlich eine
zivilgesellschaftliche Initiative mit einer hohen Summe. Dieses Mal gibt
es gleich vier Bewerber, die die Stiftungskuratoren vor eine schwere
Wahl stellen: Um die Finanzspritze konkurrieren persönliche Vertreter
der Initiativen `Dudelstopp´, `Gewalt-geht-immer´, `Wir-sind-wichtig´
und `Wahlabsage´. Wer streitet vor den Kuratoren am gewieftesten für
seine Initiative ?
Aleyna Gökdal vertritt die Initiative `Wahlabsage - Mehr Demokratie,
weniger Politik´. Und das aus ureigenster Überzeugung. Litt sie doch als
Jugendliche mit Migrationshintergrund ganz besonders unter dem
deutschen Schulsystem, für das Gerechtigkeit und Gleichheit nach wie vor
Fremdworte sind. Nur die Politik kann hier ihrer Ansicht nach für
Fortschritt sorgen.
Die Initiative `Gewalt geht immer – violare humanum est´ wäre hingegen
für Albrecht Opaschowsky die geeignetste Empfängerin der Förderung. Die
Organisation räumt nach eigenen Angaben mit rosaroten Illusionen bei der
Kriminalpolitik auf und hilft so den Bürgern, die Gefahren des Alltags
realistischer einzuschätzen und sich selbst zu schützen.
Manuela Holpert-Mang ist der Überzeugung, dass das Stiftungsgeld bei der
Initiative `Wir sind wichtig – der Wirtschaft zuliebe´ am besten
angelegt wären. Unterstützt die Gruppe doch seit Jahren moralisch jene
Menschen, denen die vollständige Ausrichtung ihres Lebens nach den
Bedürfnissen der Ökonomie zunehmend Probleme bereitet.
Der Initiative `Dudelstopp – wollen wir Friedhofsruhe ?´ möchte
schließlich der ehemalige Musiker Thomas Klaschka die Förderung sichern.
Die Bewegung will der mit dem demographischen Wandel aufziehenden
Friedhofsruhe mit einem beherzten Beschallungsprogramm entgegenwirken.
So etwas kostet natürlich Geld, denn selbst Konservenmusik ist nicht
umsonst.
Damit die Kuratoren Schmidt-Peters und Wessel eine Entscheidung fällen
können, erhalten alle vier Bewerber ausreichend Zeit, die eigene
Initiative sachlich aber auch garniert mit der einen oder anderen
Anekdote zu präsentieren und sich von den Mitbewerbern abzugrenzen.
Zum Schluss, so wäre eigentlich zu erwarten, wird es einen ehrlichen
Gewinner geben. Aber entgegen aller Routine ist Betrug im Spiel und es
läuft doch nicht alles glatt.
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TONDOKUMENT
Ist das bundesdeutsche Stiftungswesen zu staatsnah ?
Stiftungen
haben im allgemeinen Verständnis meistens etwas zu vergeben, deshalb
haben sie ein eher positives Image in der Öffentlichkeit. Es verwundert
daher nicht, wenn sie hin und wieder auch zum Gegenstand von Kritik
durch Neider und Nörgler werden. Nun hat die Kritik jedoch neue Nahrung
erhalten.
In der Öffentlichkeit kursiert seit kurzem ein Tondokument, das während
der Entscheidungsfindung für die Vergabe von Fördergeldern durch die
satirische Stiftung `moderne21´ entstand. Es lief offenbar ein
verstecktes Aufzeichnungsgerät mit als die Bewerber von vier
zivilgesellschaftlichen Initiativen in der Hamburger Residenz der
Stiftung `moderne21´ um die jährlich gezahlte Finanzspritze miteinander
konkurrierten.
Die Tonqualität ist überraschenderweise ganz hervorragend. Der Aufnahme
ist kaum anzumerken, dass sie mit verstecktem Mikrofon vorgenommen
wurde. Das Ganze hört sich viel eher an, wie ein professioniell
produziertes Hörspiel, was der Authentizität des Inhalts
selbstverständlich keinen Abbruch tun muss.
Ob man nun mit einer Doku zu tun hat oder mit einem raffinierten Fake,
ob das alles Politik ist oder noch Satire oder ob die staatstragende
Satire bereits zu Politik geworden ist, das ist heutzutage nur schwer
auseinanderzuhalten. Die beiden Kuratoren der erklärtermaßen staatsnahen
Stiftung `moderne21´, Frau Schmidt-Peters und Herr Wessel, schlagen
sich jedenfalls wacker in dem Bemühen, den geeignetsten Kandidaten für
die Fördergelder herauszufiltern.
Nach dem Abhören des Tondokuments drängt sich manchem Zuhörer jedoch der
Eindruck auf, dass Stiftungen möglichst politikkonform und somit
staatsnah agieren müssen, um in der Mediengesellschaft bestehen zu
können. Zu fragen wäre, ob es sich hierbei um ein notwendiges Übel
handelte oder um ein zunehmend kritisch zu bewertendes Phänomen, gegen
das anzugehen sei.
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BEWERBER OPASCHOWSKY
Duisburg im Zentrum der Gewalt
Bewerber
für die Initiative `Gewalt geht immer - violare humanum est´ ist
Albrecht Opaschowsky aus Duisburg. Bei dieser Kombination ist man
schnell versucht, einen bekannten Fernsehkommissar aus den Achtzigern
mit ihm zu assoziieren, aber damit liegt man vollständig falsch:
Opaschowsky ist kein telegener schnurrbärtiger Haudrauf-Typ, sondern ein
nüchterner Interessenvertreter von Gewalttätern und Gewaltopfern.
Zwischen ihnen will seine zivilgesellschaftliche Initiative einen fairen
Ausgleich schaffen helfen. Offenbar ist sie dabei seit einigen Jahren
auf einem guten Weg.
Opaschowsky
vertritt die Ansicht, dass `eine Mehrzahl von gefährlichen Schlägern
sich bei genauerem Hinsehen lediglich als etwas zu groß geratene Jungs
entpuppt´ und kritisiert, dass gerade jungen Tätern ein förmliches
Strafverfahren oft mehr schadet als nutzt. Ebenso beklagt er den leider
recht hartnäckigen Trend, dass immer mehr Bürger das bewährte
täterorientierte Rechtssystem offenbar nicht mehr ausreichend zu
schätzen wissen und Veränderungen anmahnen.
Bei einem delikaten Thema, wie der Gewaltkriminalität, stellt sich
natürlich die Frage, ob jemand wie Albrecht Opaschowsky eventuell selber
einen persönlichen Bezug zu der Initiative hat, die er vertritt. Wurde
er als Kind vermöbelt ? War sein Vater Tischler ? Hat er selber
geprügelt ? Diese Fragen verneint er allesamt, beziehungsweise
relativiert: `Ich hab mich nicht mehr gekloppt als andere gesunde Jungs
in Duisburg.´ Herr Opaschowsky hat sich weder als Gewalttäter noch als
Gewaltopfer profiliert. Wobei festgehalten werden sollte, dass der
Sprecher der Initiative `Gewalt-geht-immer´ ebenso gut in jeder anderen
Stadt neben Duisburg beheimatet sein könnte. Duisburg ist keinesfalls
das Zentrum der Gewaltkriminalität in der Bundesrepublik und strebt
diesen Status auch nicht an.
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POSITIVE DISKRIMINIERUNG
Immer feste auf auf die Schnauze
Albrecht
Opaschowsky boxt im Rahmen von Anti-Aggressions-Trainings seit langem
mit jungen Straf- und Intensivtätern. Er und andere helfen den jungen
Männern, ihre Techniken zu verfeinern. Diese dürfen sie dann
selbstverständlich im wirklichen Leben nicht anwenden. Das tun sie
idealerweise später auch nicht. Dennoch: Mit etwas anderem als Gewalt
kann man realistischerweise junge Menschen, die nichts anderes kennen
als Gewalt, auch nicht erreichen. Im Gegenteil: Mit weltfremden
Anschauungsunterricht über Frieden und Nächstenliebe würde man die nur
noch zusätzlich durch einen Kulturschock traumatisieren. Die Bergpredigt
versteht nun einmal nicht jeder.
Die
aktuelle gesellschaftliche Gewaltproblematik wird von Albrecht
Opaschowsky folgendermaßen beschrieben: `Sie haben heute vielfach Männer
mit viel Testosteron und wenig Teamfähigkeit, denen im Beruf bei der
Beförderung vielleicht eine konsensorientierte junge Frau vorgezogen
wird - aus guten Gründen, natürlich. Und die dann mit guter Miene unter
ihr arbeiten müssen.´ Hier könnte man einwerfen, dass wirklich moderne
Männer zum Glück schon von sich aus einsehen, dass Frauen aufgrund der
jahrtausendealten Benachteiligung moralisch heute eine positive
Diskriminierung am Arbeitsmarkt zusteht - quasi als Ausgleich oder
einfach als `Dankeschön´.
Opaschowsky plädiert dafür, sich dennoch nichts vorzumachen: In beinahe
jedem anderen relevanten Kulturkreis außer dem westlichen, würden Männer
eine solche Behandlung als ungeheure Demütigung erleben oder zumindest
als `sehr schlechten Witz´. Diese Einschätzung wirft möglicherweise auch
ein Licht auf den Vertreter der Initiative `Gewalt geht immer´ als
Privatmann, der Gewalt als männliche Eigenschaft eigentlich ganz in
Ordnung findet und lediglich nur gegen ungesühnte Gewalt agitiert, die
gegen vorzivile krude Spielregeln verstößt. O-Ton `Opaschowsky´: `Immer
feste auf auf die Schnauze ... mit voller Wucht - aber fair ! Bis einer
auf dem Boden liegt und völlig ausgepowert ist. Aber eben sportlich, mit
klaren, bewährten Regeln. Mann gegen Mann. Täter gegen Täter, wenn sie
so wollen. (...) Frauen kämpfen anders. Die haben die Quoten. Und die
Politik. |
UNBEHAGEN
Zynismus und Sarkasmus
Es
gibt Gewaltverbrechen, bei denen Menschen schweren Schaden nehmen –
dies wird von der Initiative `Gewalt geht immer´ nicht bestritten. Die
Öffentlichkeit reagiert jedoch mit wachsendem Unmut auf den in ihren
Augen paradoxen Umgang mit gefährlichen Straftätern. Dies ist ein
relativ neues Phänomen.
Nun muss `neu´ tatsächlich nicht automatisch falsch sein. Aber dennoch ist eine Gesellschaft ohne Kriminalität kaum denkbar
und genau genommen auch nicht wünschenswert, wenn man keinen
Orwellschen Überwachungsstaat haben will. Zwar muss `beschützen´ muss
nicht immer auch automatisch `überwachen´ heißen. Aus Sicht der
Initiative `Gewalt geht immer´ ist der Umgang mit Gewaltkriminalität
durch Polizei, Justiz und Politik vorbildlich und deshalb sollte er von
den Bürgern mit Vertrauen belohnt werden. Trotzdem bleibt Gewalt ein
natürlicher Teil der sozialen Ordnung, mit dem wir leben müssen. Eine
mögliche Teillösung für das Gewaltproblem wäre zum Beispiel, wenn
verantwortungsbewusste Frauen und Männer sich bemühten, aggressive
Menschen nicht unnötig zu provozieren – weder durch vermeintlich
mutiges, noch durch übertrieben couragiertes Verhalten.
Wem das zu zynisch klingen mag, der sei darauf hingewiesen, dass der
Kriminalpolitik an anderer Stelle hin und wieder durchaus gerne
unterstellt wird, durch Bagatellisierung von Gewaltverbrechen oder durch
überzogenen Täterschutz die Bevölkerung absichtlich zu verängstigen.
Und dies deshalb, damit diese eine Vergrößerung des Staatsapparates
akzeptiert in der Hoffnung auf mehr Sicherheit für Leib und Leben - Das
ist Zynismus. Die Feststellung, eine solche Strategie würde den
Interessen der Bürger entgegenlaufen, daher sei diese Unterstellung
abwegig ist hingegen Sarkasmus.
Als Fazit sollten moderne Menschen sich mit den leider alltäglich
gewordenen Gewaltdelikten abfinden und arrangieren - mögen die im
einzelnen auch noch so unangenehm erscheinen. Die Initiative
`Gewalt-geht-immer´ leistet hierzu einen Beitrag. Und zwar indem sie
übertriebene Erwartungen zum Thema `Kriminalitätsbekämpfung´ mit dem
notwendigen politischen Realismus konfrontiert und so unvermeidlichen
Enttäuschungen vorbeugt.
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BEWERBERIN GÖKDAL
Mehr als `Sonne, Mond und Sterne´
Bewerberin
für die Initiative `Wahlabsage - Mehr Demokratie, weniger Politik´ ist
Aleyna Gökdal. Im Personality-Abschnitt des Bewerbungsgesprächs mit den
Stiftungsmitgliedern verrät sie, dass sie in Ankara in den 60er Jahren
geboren wurde, was eine türkische Abstammung nahelegt.
Die
Türkei ist, das wissen nicht nur Anhänger der GRÜNEN, mit `Sonne, Mond
und Sterne´ noch nicht umfassend beschrieben - hierauf geht Gögdal
jedoch nicht weiter ein, was sich möglicherweise noch als recht
geschickt herausstellen könnte. Als sie sechs war, holte ihr Vater ihre
Mutter, die kleine Aleyna und ihre Schwester nach Köln-Nippes nach.
Gökdal legt wert auf die Feststellung, lediglich eine Schwester und
keinen Bruder zu haben.
Während ihrer Kindheit ist sie mit ihrer Familie oft in die Türkei
gefahren, das `schönste Land überhaupt´. Ihren späteren Ehemann hat sie
dort allerdings nicht kennengelernt und auch politisch haben sie ihre
Türkeibesuche nicht über die Maßen geprägt. Ihre politische
Initialzündung hatte sie erst Jahre später auf ihrem Gymnasium in
Nippes. Ungefähr ab der 10. Klasse wurde unübersehbar, dass es eine
kleine Gruppe von Mädchen gab, die hübscher waren als andere. Sie waren
nicht etwa lediglich `besser gekleidet´, sondern tatsächlich `von Natur
aus´ schöner. Das fand die junge Aleyna nicht in Ordnung, unfair und
einer modernen Gesellschaft unwürdig.
Sie schloss sich daher aus
diesem und aus anderen Gründen politischen Parteien an, die sich
Gerechtigkeit, also die Aufhebung von Unterschieden, auf die Fahnen
geschrieben haben. Dies tat sie in der klassischen Farbfolge `rot - grün
- lila´, also mit zunehmender moralischer und politischer
Glaubwürdigkeit und unterstützte so auf ihre Weise und aus ihrer ganz
eigenen Motivation heraus den gesellschaftlichen Fortschritt in der
Bundesrepublik.
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VIBRATIONEN
Die Schwingungen der Nichtwähler
Es ist
empfehlenswert, sich innerhalb seines engeren sozialen Umfeldes darüber
zu informieren, welcher Freund, welche Tante, welcher Kollege zur Gruppe
der Nichtwähler gezählt werden müssen. Man möchte ja schließlich auch
wissen, ob gute Bekannte bereits eine Drogenkarriere hinter sich haben
oder ob eine Kusine irgendwann einmal abgetrieben oder ein
Vorgesetzter einmal Fahrerflucht begangen hat. Will man mit solchen
Menschen zusammenarbeiten, ein Bier trinken gehen oder gar Sex haben ?
Das
jeweilige politische Partizipationsverhalten sollte relevant sein für
die Frage, wie nahe uns jemand steht oder stehen darf - wenn wir uns als
Demokratinnen und Demokraten ernst nehmen wollen. Im engeren sozialen
Umfeld besteht daher ein besonderes Interesse aus einer möglichen Nähe
der entsprechenden Personen zum Milieu der Nichtwähler. Selbst wenn dies
auf den ersten Blick nicht überlebenswichtig erscheint. Der Aspekt des
`Überlebens´ muss beim Nichtwählerphänomen dennoch eine Rolle spielen:
Es geht allem Anschein nach auch ums `Über´leben, um das Leben nach dem
Leben, das Leben nach dem Tod. Möglicherweise stimmt es also, dass
Wahlverweigerer einen Punktabzug für ihr nächstes Leben bekommen - auch
wenn man dies bisher nicht beweisen konnte.
Dennoch bleibt ein
unübersehbarer Wink auf die Belastungen für das Karma bewusster
Nichtwähler. Einige Leute streiten sich darüber, wirklich Konkretes ist
nicht bekannt, manche wollen darüber auch lieber nichts Genaueres
wissen. Es deckt sich zumindest nicht mit den Überzeugungen der
zivilgesellschaftlichen Initiative `Wahlabsage - mehr Politik, weniger
Demokratie´, die Nichtwähler wie Abweichler zu behandeln, sie zu
diskriminieren und mit Punktabzug zu bestrafen. Diskriminierung ist
nicht umsonst ein Verbrechen. Die passiven Wahlverweigerer sollen
stattdessen abgeholt und mitgenommen werden zur Wahlurne !
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STAATSQUOTE
Konsequente Courage auch im Steuerwesen
Die
Initiative `Wahlabsage - Mehr Demokratie, weniger Politik´ kündigte an,
in absehbarer Zeit eine sogenannte politische `Goodwill-Kampagne´ für
mehr Steuergerechtigkeit sowie ein höheres Steueraufkommen auf den Weg
zu bringen.
Dem
Vernehmen nach geht es der zivilgesellschaftlichen Gruppierung um
Nachhaltigkeit für die Basis allen politischen und staatlichen Handelns.
So wird die Aktivistin Aleyna Gökdal im Zuge einer Bewerbung um
Stiftungsgelder mit den Worten zitiert "Wenn man Wert darauf legt,
couragiert für die politische Durchgestaltung des Alltags einzutreten,
dann sollte man sich konsequenterweise auch für mehr Steuergerechtigkeit
und mehr Steueraufkommen, kurz: mehr Akzeptanz für das Steuerwesen
einsetzen." Da es sich bei der erwähnten staatsnahen Stiftung um
`moderne21´ handelt, kann Frau Gökdal von `Wahlabsage´ relativ sicher
sein, dass ihrem berechtigten Anliegen mit Wohlwollen begegnet werden
wird. Denn schließlich stärken Steuern im Idealfall nicht nur allgemein
die Solidargemeinschaft, sondern sie stellen darüber hinaus ganz
fundamental bildlich gesprochen das Futter für die Politik dar. Das
Herunterfahren des Steueraufkommens käme daher einem Nahrungsentzug
gleich. Und der bedeutete dann konkret - wiederum bildlich gesprochen -
den Hungertod für Gerechtigkeit, Gleichstellung und Wohlsein. Dies kann
und darf niemand wollen und eigentlich auch niemand anders sehen.
Über den Ausgang der Bewerbung um Stiftungsgelder durch Frau Gökdal bei
`moderne21´ soll aus Rücksicht gegenüber den anderen Mitbewerberinnen
und Mitbewerbern nicht weiter informiert werden. Es sei an dieser Stelle
nur konstatiert, dass Frau Gökdal den Interessen ihrer Initiative
`Wahlabsage - Mehr Demokratie, weniger Politik´ mit großem Geschick und
einer gehörigen Portion Raffinesse Geltung verschaffte.
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BEWERBER HARDY KLASCHKA
Profilneurotiker und Sonderlinge
Ursprünglich
startete die Initiative `Dudelstopp´, die bei der moderne21-Stiftung
von Hardy Klaschka vertreten wird, tatsächlich als Initiative gegen
unfreiwilligen Musikkonsum im öffentlichen Raum – also Musik in
Wartezimmern, Kaufhäusern, Fahrstühlen, Warteschleifen etc. Dann jedoch
wechselte man die Seiten, um den Dialog mit der Musikindustrie zu suchen
und dann allmählich nicht mehrheitsfähige Standpunkte zu revidieren.
Dazu steht man mittlerweile ganz offen bei der ehemaligen
Graswurzelbewegung.
Die
Initiative `Dudelstopp - Wollen wir Friedhofsruhe ?´ setzt sich heute
kritisch mit der Frage auseinander, wie eine Welt aussehen würde, in der
Musik nur noch im Einvernehmen aller Anwesenden gespielt werden dürfte.
Eine Handvoll skurriler Bündnisse und Querulanten fordert seit einiger
Zeit die Einschränkung oder sogar das Verbot kostenlos bereit gestellter
Musik im öffentlichen Raum. Es sei daran erinnert: Vor einigen Jahren
gehörte `Dudelstopp´ unter dem Slogan `Musik ohne Zwang´ auch noch dazu.
Paradoxerweise hatten viele dieser Gruppen ihren Ursprung in Hamburg.
Entgegen
der herrschenden Political Correctness ist man jedoch allmählich dazu
übergegangen, die dahinterstehenden Personen klar und unmissverständlich
zu benennen als Profilneurotiker und Sonderlinge, die fahrlässigerweise
die sozialen und wirtschaftlichen Folgen ihres Tuns ausblenden. Darüber
klärt das neue `Dudelstopp´ die Menschen auf. Und Aufklärung tut
offenbar Not, werden Musikfreunde, die ihren Bedürfnissen obsessiv in
der Öffentlichkeit nachgehen, doch häufig genug mit bösen Blicken und
dahingenuschelten Anspielungen konfrontiert von Mitbürgern, die offenbar
partout nicht in der Freizeitgesellschaft ankommen wollen. Es ist nicht
zuletzt an der Initiative `Dudelstopp´ diesen Menschen die Hand zu
reichen und sie mitzunehmen in die moderne Erlebnisgesellschaft.
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KONTROVERSE
Kein Spielen der `Familienkarte´
Am
am Tonträgergewerbe und der Beschallungsindustrie hängen nach neuesten
Schätzungen ungefähr 300.000 Arbeitsplätze. Dies ist gerade in der
selbstverschuldeten aber nichtsdestotrotz sehr bedrohlichen
Kapitalismuskrise, in der sich der Westen befindet, nicht zu
vernachlässigen. Selbstverständlich kommt es in der Branche auch mal zu
Fehlentwicklungen und negativen Auswüchsen. Diese werden sehr ernst
genommen und einzudämmen versucht. Aber es wird natürlich immer ein paar
überempfindliche Menschen geben, die sich gestört oder belästigt
fühlen, Einzelgänger und Außenseiter. Man sollte sie nicht beschimpfen
sondern muss vielmehr auf ihre Ängste und Neurosen eingehen.
Wissenschaftler
vermuten tatsächlich, dass die schwindende Rücksichtnahme im täglichen
sozialen Miteinander auf veränderte Familienstrukturen zurückzuführen
ist: Es fehlen tatsächlich immer öfter Geschwister und Väter. Aber
solche Aussagen sollte man bis zur Vorlage solider empirischer Studien
zurückhalten. Die Gegner der neuen Initiative `Dudelstopp´ und ihrer
Anliegen könnten sie publikumswirksam als Spekulation abtun. Die
`Familienkarte´ zu spielen – dies sollte ohnehin das allerletzte Mittel
in der Auseinandersetzung sein.
Viele moderne Singles sind bereits heute von der Tatsache betroffen,
dass die Deutschen immer älter und damit natürlich auch einsamer werden,
das bestreitet die Initiative `Dudelstopp - wollen wir Friedhofsruhe´
nicht. Ganz im Gegenteil: Dies sollte Motivation genug sein, gemeinsam
mit der Musikindustrie gegen die aufziehende Friedhofsruhe anzugehen.
Ein tatsächlicher 'Dudelstopp' würde dabei niemanden weiterbringen.
`Dudelstopp´ sagt: `Pulsierende Lautsprecher bringen Leben in die
vergreisende Gesellschaft´. Damit liegt sie richtig, denn totalitäre
Ruhe steht für Einsamkeit und Tod, das sollte man gerade hierzulande
eigentlich wissen.
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HISTORIE
Stilistische Entgleisungen
Herr
Hardy Klaschka erzählt Menschen, die sich für die Initiative
`Dudelstopp - Wollen wir Friedhofsruhe ?´ interessieren, gerne etwas aus
seinem ganz persönlichen Werdegang. Denn es liegt nicht für jeden ohne
weiteres auf der Hand, wie man im positiven Sinne ein Musiklobbyist und
ein Schrecken für die Freunde der Stille wird.
Klaschka
kommt aus Hamburg. Die Stadt war lange Zeit der Standort der
Musikindustrie in Mitteleuropa. Das hat ihn vermutlich geprägt in seiner
Bejahung musikalischen Kommerzes. Als 18jähriger spielte er sogar in
einer Band mit – sie waren zu dritt und nannten sich `Abortive Gasp´.
Ein Name, der den guten Geschmack auf den ersten Blick etwas hinter sich
lässt. Jungen Männern in einem gewissen Alter sollte man gewisse
stilistische Entgleisungen wohl tatsächlich nachsehen. Sie können mit
zunehmender Reife dennoch zu Höchstleistungen auf den verschiedensten
Gebieten fähig sein.
Wenn Klaschka an vergangene Zeiten denkt, kommt er auf interessante
Hypothesen: `Viel von dem Ärger mit unfreiwillig konsumierter Musik
hätten wir heute nicht, wenn die großen Musikindustrie-Nationen einfach
1978 ihre Produktion eingestellt hätten: Da hatte Jean Michel-Jarre
sowohl `Oxygene´ als auch `Equinoxe´ vollendet und man hätte wunderbar
sagen können: Das war´s jetzt – neben diesen in jeder Hinsicht perfekten
Produktionen ist alles andere ein Fliegenschiss. Aber diesen Zeitpunkt
hat man damals verpasst.´ Es ist tatsächlich nur schwer zu verstehen,
warum die Plattenindustrie nach `Equinoxe´ die Neuproduktionen nicht
eingestellt und sich einfach auf die Pflege ihres Repertoires
konzentriert hat. Zum Beispiel mit Liebhaber-Editionen:
Schallplatten-Sammelboxen würden einem hier in den Sinn kommen, gerade
weil Hamburg für seine Vinylproduktion ja bekannt war. Man könnte
meinen, die gierigen Musikmanager haben noch laufende Subventionen für
die Kulturindustrie einstreichen wollen, obwohl der Höhepunkt längst
hörbar überschritten war - ähnlich wie etwa bei der Steinkohle.
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VERSCHWÖRUNG
Allesamt Misanthropen
Nach
Ansicht von Manuela Holpert-Mang und der Initiative `Wir sind wichtig -
der Wirtschaft zuliebe´ mutiert das `Single´-Phänomen regelmäßig zu
einem Schreckgespenst in unserer Mediengesellschaft. Dabei werde
`Einsamkeit´ als intensives Lebensgefühl vollkommen unterschätzt. Man
hebe viel zu wenig hervor, warum moderne Frauen und Männer sie auf sich
nähmen: `Gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Fortschritt gibt es
nun einmal nicht zum Nulltarif.´
Eine
besonders perfide Unterstellung gegenüber Aktivisten, die sich der
Sache des Fortschritts und der Gerechtigkeit verschrieben haben, ist,
sie würden sich im mittleren Alter bewusst, ihr eigenes Leben vermurkst
zu haben; Kompensieren würden sie dies damit, zusammen mit staatlichen
Institutionen strukturell darauf hinzuwirken, dass möglichst viele
andere Menschen ihrem Beispiel folgen: `Ich leide, also sollen andere
auch leiden.´ Diese Unterstellung ist tatsächlich absurd, zielt sie doch
darauf ab, dass staatliche Entscheidungsträger allesamt Misanthropen
wären. Von solch kruden Thesen und Verschwörungstheorien ist es dann
allerdings nicht mehr weit zu der Unterscheidung zwischen zwei Gruppen
gesellschaftspolitischer Akteure: Die zuvor gerade beschriebene und die
andere, die sich ebenfalls bewusst ist, ihr Leben ohne Familie und
tieferen Sinn unwiderruflich vergeigt zu haben. Aber im Gegensatz zur
ersten Gruppe, würden sie alles daran setzen, andere durch Information,
Aufklärung und ebenfalls Veränderungen der Strukturen vor dem eigenen
`Schicksal´ zu bewahren.
Es liegt auf der Hand, welche der beiden Gruppen politisch, medial und
moralisch an den Pranger gestellt wird - die erste selbstverständlich.
Auch wenn es sie gar nicht wirklich gibt, sondern sie lediglich als
Konstrukt existiert. Als Konstrukt von Moralisten, von
`Hass´-Moralisten.
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BEWERBERIN HOLPERT-MANG
Mit Mangas gegen die Zumutungen
Manuela
Holpert-Mang ist in Hannover aufgewachsen und lebt dort immer noch.
Eigentlich wollte sie Maschinenbau oder Elektrotechnik studieren – also
möglichst etwas `Untypisches´. Aber dann ist sie doch bei den
Sozialwissenschaften gelandet und hat dort ihren Abschluss gemacht.
Danach hat sie lange beim NDR gearbeitet als Redakteurin. Verheiratet
war sie nur kurz. Stattdessen hat sie zwei wunderbare Hunde aufgezogen –
ohne Unterstützung im Großen und Ganzen, wie sie sagt. Heute streitet
Frau Holpert-Mang bei der Stiftung `moderne21´ um dringend benötigte
Fördergelder für die Initiative `Wir sind wichtig - der Wirtschaft
zuliebe´.
Holpert-Mang kann vom Girlie-Look der Mangas einfach nicht lassen, den
sie einfach `zu genial´ findet: `Das Make-up, die Farben, die
Strähnchen. Ich mach ja nur den ganz soften Style. Schließlich bin ich
auch schon ein bisschen aus dem Teenager-Alter raus. Hätte ich
irgendwann mal eine Tochter gehabt, hätten wir sicher
viel Spaß mit den Mangas gehabt. Und uns gegenseitig geschminkt.´ So
bleibt sie zumindest optisch selbst noch ein großes Girlie. Zum Glück
ist heute modetechnisch alles erlaubt - Madonna hat´s vorgemacht. Ansonsten
haben die Arbeitnehmer ja auch wirklich genug Entbehrungen zu bringen:
Für die springt seit einiger Zeit ihre Initiative `Wir
sind wichtig´ in die Bresche, denn immer mehr Menschen treten nun
einmal wegen ihrer beruflichen Unentbehrlichkeit in ihrem Sozialleben
kürzer. Sie bringen große Opfer für die Wirtschaft und damit das
Gemeinwohl. Das hat de-facto häufig den Verzicht auf Familienleben und
emotionale Stabilität zur Folge. Die Initiative 'Wir-sind-wichtig' zollt
den betroffenen modernen Bürgern zusammen mit der Politik und der
Wirtschaft deshalb größten Respekt und möchte sie in Zukunft mit Hilfe
der m21-Fördergelder moralisch noch stärker unterstützen. Damit auch
künftig alles so weiter laufen kann, wie es sich seit Jahrzehnten
bewährt hat in der `Deutschland AG´.
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AUFKLÄRUNG
Hamburg statt Ost-Berlin
Frau
Holpert-Mangs Initiative hat bereits einige Erfolge erzielt. Dabei kann
sie allerdings auch auf positive Ergebnisse aus anderen Bereichen
zurückgreifen: Die publizierte Meinung erweist sich seit vielen Jahren
wenigstens hier als ausgesprochen verantwortungsbewusst.
Beispielsweise wird semantisch schon seit einiger Zeit nicht mehr vom
Druck auf die Bürger gesprochen, arbeiten zu `müssen´ - sondern man
stellt vielmehr die Errungenschaft in den Vordergrund, arbeiten zu
`dürfen´. Gerade bei Frauen, bei denen es hierbei noch reichlich
Nachholbedarf gab und gibt.
Die
vielfältige mediale Reflektion des Phänomens `Armut´ spielt dabei eine
Schlüsselrolle: Sie hilft anarchistischen Tendenzen vorzubeugen, nach
denen Menschen Erwerbsarbeit als etwas Negatives ansehen. Beim Thema
`Armut´ handelt es sich keineswegs um Angstmacherei, sondern um
Aufklärung: sozialer Abstieg und Ausgrenzung stellen tatsächlich eine
allgegenwärtige Gefahr dar und Geld macht eben doch glücklich. Und
weniger Geld eben nicht. Oder eben entsprechend weniger.
Häufig hat ja schon der Nachbar mehr. Da ist es nur konsequent, wenn
soziale Ungleichheit Dauerthema in den Medien ist: Heute sind die
Alleinerziehenden von Armut bedroht, morgen die Rentner und übermorgen
unausweichlich die Kinder. Hier haben Fernsehen und im Radio jede Menge
zu aufzuklären, denn das Prekariat vergrößert sich permanent. Über
Sendungen, die das thematisieren, wird in den Redaktionsstuben heute gar
nicht erst lange diskutiert, sondern die werden gleich geschaltet. In
Talkshows, Magazinen und Nachrichten. Hierbei spielt es kaum noch eine
Rolle, woher die Nachrichten kommen und wer sie aufbereitet: Die
`Aktuelle Kamera´ kam aus Ost-Berlin, die `Tagesschau´ kommt aus
Hamburg. Das waren und sind zwei vollkommen unterschiedliche Städte -
aber dies spielt heutzutage zum Glück kaum noch eine Rolle.
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GRUNDSÄTZE
Vergabe von Stiftungsgeldern auf dem Prüfstand
Die
hauseigene Stiftung der Politik- und Kunstplattform `moderne21´ wählt
jährlich in Hamburg aus mehreren sich bewerbenden
zivilgesellschaftlichen Bewegungen und Initiativen eine einzige aus, um
sie finanziell zu fördern. An diesem Beispiel wird deutlich, was im
gegenwärtigen Stiftungswesen in der Bundesrepublik falsch läuft: Wenn
sich besonders ehrgeizige Bewerber gegen andere durchsetzen, besteht die
Gefahr, dass das Leistungsprinzip den Gerechtigkeitsgedanken zu sehr in
den Hintergrund drängt.
Man kann mit einigem Recht von
einer gelungenen Demonstration gelebter Vielfalt im deutschen
Stiftungswesen sprechen: Die türkischstämmige Polit-Aktivisten Aleyna
Gökdal aus Köln-Nippes gewinnt für die von ihr vertretene Initiative
`Wahlabsage´ die Bewerbung für die Förderung durch die Stiftung
`moderne21´ und setzt sich damit gegen drei Mitbewerber durch. Da sie
aber, gestützt durch ihre Initiative, den neoliberalen
Wettbewerbsgedanken ablehnt, kündigt Frau Gökdal an, die gewonnenen
Fördergelder mit ihren Mitbewerbern teilen zu wollen und stößt damit die
Kuratoren von `moderne21´ zunächst vor den Kopf. Schließlich hatten die
Stiftungsmitarbeiter sich erhebliche Mühe gegeben, sich zwischen den
vier Bewerbern zu entscheiden. Ob der Ankündigung tatsächlich
entsprechende Überweisungen folgten, ist noch unbekannt.
Dennoch hat mittlerweile offenbar auch bei `moderne21´ ein Umdenken
eingesetzt, wie Kuratorin Schmidt-Peters kürzlich andeutete: `Wenn wir
das Ziel der Vielfalt ernsthaft verfolgen, machen wir uns unglaubwürdig,
wenn wir auf dem Weg dorthin potentielle Mitstreiter ausgrenzen oder im
Regen stehen lassen. Dies muss künftig vermieden werden.´ Der sozialen
Inklusion auf diese Weise das Wort redend, gibt die Politikplattform
einen neuen, fortschrittlich anmutenden Weg vor, von dem sich bereits
jetzt abzeichnet, dass andere Stiftungen ihm über kurz oder lang folgen
werden.
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GRUNDSÄTZE
Die Stiftung `moderne21´
Nachfolgend
ein paar zusammenfassende Worte über die überparteiliche Stiftung
`moderne21´ und ihr Selbstverständnis: Die Stiftung geht davon aus, dass
wenn Bürger der Bundesrepublik die Entscheidungsträger in Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft kritisieren, dies in den allermeisten Fällen
ohne rationale Grundlage geschieht. Schließlich handelt es sich bei den
gescholtenen Spitzenkräften fast ausnahmslos um seriöse Experten, die
sich fest am Gemeinwohl orientieren.
Aber auch den Nörglern
und Stänkerern will die Stiftung ein offenes Ohr und ein Forum bieten,
denn sie dürfen von der Gesellschaft nicht abgeschrieben werden. Zum
Glück ist Deutschland eine Republik mit Zukunft. Sein sich rapide
verändernder Bevölkerungsaufbau und die daraus resultierenden großen
Umbrüche werden von weitsichtigen Bürgern heute bereits als Chance
begriffen. Als für die allgemeine Lebensqualität besonders vorteilhaft
erweisen sich zudem die weitreichenden Aktivitäten des Sozialstaats.
Dessen hochspezialisierte Beschäftigte haben ein großes Interesse an der
Sicherheit und Zufriedenheit der Bevölkerung. Dennoch sind sie
bestrebt, ihre Bemühungen lieber heute als morgen überflüssig zu machen.
Aus der wachsenden Präsenz des Staates im Leben der Menschen resultiert
ein Mentalitätswandel, der Optimismus und Zuversicht in die Zukunft
fördert.
Die Stiftung `moderne21´ und ihre zum Teil ehrenamtlich
helfenden Mitarbeiter bringen sich mit Geld, Zeit und Eigeninitiative
für das Gemeinwohl ein. Sie wollen Politiker, Ökonomen und
Medienschaffende bei der Verarbeitung der Folgen gesellschaftlichen
Wandels mit Hilfe eigener Impulse und Aktivitäten zur Seite stehen.
Genau wie alle seriösen politischen Kräfte steht die
`moderne21´-Stiftung dem aktuellen Raubtierkapitalismus ebenso skeptisch
gegenüber wie ihr gleichzeitig der Ausbau der Gerechtigkeit und die
Bekämpfung der allgegenwärtigen Armut am Herzen liegt. Sie suchen den
Dialog mit den Mächtigen und gehen auf diese zu, um sie im Geiste der
Brüderlichkeit und der Solidarität umarmen.
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Anmerkung:
Uns alle interessiert die Frage: Kann die Bundestagswahl mit Mitteln des
Mediums `Hörspiel´ noch kippen oder zumindest deren Ergebnis
umgekrempelt werden ? Es wäre den engagierten Politaktivisten, die in
diesem Fall verantwortlich zeichnen, wirklich von Herzen zu gönnen.
Dies ist definitiv kein Hörspiel, das darauf abzielt, Zuhörer, Bürger
dazu zu bringen, alle Parteien auf ihrem Wahlzettel durchzustreichen und
stattdessen `moderne21´ draufzuschreiben. Das wäre unprofessionell und
würde zudem etwas infantil anmuten. Auch wenn es natürlich eine sehr
schöne und ermutigende Geste in Richtung der vier
zivilgesellschaftlichen Initiativen unter dem Dach von `moderne21´ wäre.
Deren Aktivisten hätten schon lange etwas mehr Zuspruch verdient. Aber
dennoch soll an dieser Stelle keinesfalls für solch ein Verhalten geworben werden.
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FALLBEISPIEL
Totalitarismusfantasie
Aus Aleyna Gökdals Aufzeichnungen:
Deutsches
Reich, 1931. Kurz vor der Machtergreifung. In einer Mädchenschule im
Holsteinischen `Heide´. Ich bin 14 und in der 8. Klasse. In Deutsch bin
ich gut, in Hauswirtschaft und in Sport. Und ich bin blond – mal was
Neues ... . Meine Phantasie spielt sich ab in der Zeichenstunde. So was
gab´s damals auch schon. Wir Schülerinnen dürfen malen. Wir haben
thematisch relativ freie Hand. Ich male junge Mädchen beim Baden.
Natürlich züchtig. Meine Freundin Johanna malt eine Modenschau,
Hildegard zeichnet einen Rummel. Die Lehrerin geht immer wieder herum,
lobt und kritisiert. Sie hat ihre Lieblinge. Sie ist sehr völkisch
eingestellt. Johanna ist aus einer jüdischen Familie, Hildegards Vater
ist in der Gewerkschaft aktiv. Meiner ist einfacher Bauer, meine
Geschwister und ich und meine Mutter müssen viel helfen.
Johanna
ist sehr hübsch. Sehr dunkel und sehr hübsch. Ich schwärme heftig für
sie. Und eigentlich bin ich auch stolz auf sie: Sie ist sehr begabt in
den schönen Künsten. So auch beim Zeichnen. Sie hat es einfach drauf.
Auch Hildegards Bild ist um Klassen besser als meines. Ich habe mich mit
meinem Thema übernommen: Einerseits möchte ich gerne sportliche, leicht
bekleidete Mädchen zeichnen, andererseits geniere ich mich auch dafür.
Bei der Malerei gibt es keine Objektivität aber ich fühle, dass meine
Zeichnung misslingt – ich traue mich einfach nicht, konsequent zu malen,
was ich schön finde. So kann das nichts werden.
Lehrerin
Claaßen geht von Tisch zu Tisch herum. Wie immer macht sie aus ihren
persönlichen Vorlieben keinen Hehl. Johanna kritisiert sie besonders
heftig und auch Hildegard putzt sie herunter. Einige Mädchen
registrieren das schadenfroh, andere wie ich leiden unter der
unübersehbaren Ungerechtigkeit. Am Schlimmsten ist es, wenn die Claaßen
bei mir vorbeikommt: Sie hat einen Narren an mir gefressen, obwohl ich
ihr und ihren wohlwollenden Blicken so gut es geht ausweiche. Aber mein
Bild kann ich schlecht vor ihr verstecken und so nutzt sie die
Gelegenheit, um sich daran schadlos zu halten: Sie lobt es über den Klee
– alle wissen warum. Ich schäme mich, aber ich kann nichts dagegen tun.
Ich traue mich nicht, laut zu sagen, dass ich viel lieber wie Johanna
oder wie Hildegard zeichnen können würde. Später im Schuljahr sind ihre
beiden Plätze dann plötzlich leer und bleiben es auch. Die Claaßen aber
unterrichtet Heides Schüler weiterhin, auch noch lange über 1945 hinaus.
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FALLBEISPIEL
Gewaltfantasie
Aus Albrecht Opaschowskys Tagebuch:
In
einem stillgelegten und verfallenen Krankenhaus in einem abgelegenen
und unzugänglichen Landstrich voller Dschungel im ehemaligen Indochina
ist ein genial-verrückter irischer Wissenschaftler in einem Labor
eingesperrt. Er forscht dort seit Jahren an einem wichtigen
Impfstoff gegen eine gefährliche Tropenkrankheit und wird regelmäßig
durch eine Klappe in der Stahltür von den Eingeborenen mit Essen und dem
Nötigsten versorgt. Die friedliebenden kambodschanischen Ureinwohner
sorgen gut für den Mann, sie wissen, wie wichtig seine Arbeit ist. Aber
sie fürchten ihn auch wegen seines immer wieder zum Vorschein tretenden
Wahnsinns. Zwar unternimmt er keine Ausbruchsversuche, denn ihm ist
seine Forscherarbeit
wichtiger. Aber er hackt seinen Aufpassern und Versorgern mit seinen
Instrumenten hin und wieder einen Finger oder sogar eine ganze Hand ab,
wenn sie nicht vorsichtig genug sind an der Türklappe.
Er stellt
nichts mit den Gliedmaßen an, es geht ihm in diesen Augenblicken wohl
nur darum, Angst und Schrecken zu verbreiten. Und seine Untaten haben
keine Folgen für ihn, denn auf seinem Forscherdrang ruhen viele
Hoffnungen. Die Eingeborenen verzeihen dem wahnsinnigen Wissenschaftler
immer auf´s Neue, wenn wieder so etwas passiert. Vielleicht mag es
anderswo auf der Welt zivilisiertere Forscher geben, die mit ähnlichen
Erfolgsaussichten an dem dringenden medizinischen Problem arbeiten, aber
über sie weiß man in dem abgelegenen Dorf nichts – man verlässt sich
lieber auf den verrückt-genialen Fremden, den man immerhin seit Jahren
kennt. Wie er zu ihnen kam und wer ihn eigentlich seinerzeit eingesperrt
hat, wissen nur wenige von den Alten im Dorf – die Lebenserwartung ist
dort naturgemäß nicht sehr hoch. Vielleicht hat seine Anwesenheit noch
etwas mit der Kolonialzeit zu tun, obwohl es sich bei dem finsteren und
ernsten Mann ja um keinen Franzosen handelt. Die Eingeborenen
akzeptieren, dass der Ire hin und wieder von gefährlichen
Gewaltausbrüchen heimgesucht wird,
die ihnen Angst einjagen. Dennoch pflegen sie eine über die Jahre
gewachsene und von Respekt geprägte Beziehung mit ihm und lassen ihn
unbehelligt innerhalb seiner
versiegelten Laborräume leben.
Sollte man sie nun für ihre
Nachsicht für dessen archaische Triebe verurteilen oder stattdessen für
ihren Langmut und ihre Ausdauer bewundern ?
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