In den letzten Jahren hat sich bei Hörspielautoren
die Tendenz verstärkt, Ihre Stücke selbst zu produzieren, bevor
sie sie möglichen Abnehmern anbieten.
Ja, das einsame Arbeiten, vergleichbar dem -in der Regel- zurückgezogenen
Arbeiten am Manuskript hat seinen Reiz, seine Eigenheiten.
Man muß nicht über alles sprechen, man muß nicht alle
Beteiligten bei Laune halten, niemand muß einen selbst bei Laune halten,
die Sache ist flexibel - Die Schauspieler sind da, geben alles,was sie haben,
ihre Zeit und ihre Kraft, ihr Können, Herzblut, nehmen alles was sie
brauchen, dann sind sie weg. Und dann montiert man, an einem Computer, vielleicht
auch an einer Bandmaschine.
Schön daran:
Ich bin flexibel. Ich muß niemanden nerven, außer mich selbst,
weil ich den Schnitt nochmal anders machen will- Ich kann Musik einfügen,
und damit experimentieren, es ist wie ein Bild malen, man geht immer wieder
drüber, legt Schichten auf, vielleicht übermalt man und fängt
nochmal an, irgendwann ist es fertig, entweder hat man seine Ideen mit Leben
erfüllt, oder man ist unterwegs im besten Fall noch auf was Neues gekommen-
Autorenproduktion ist allerdings traurig für Leute,
die sich etwas anderes wünschen, und das nur aus Gründen des Budgets
betreiben. Sie ist traurig für Leute, die lieber mit vielen Menschen
arbeiten. Die einen fühlen sich als Dirigent eines Orchesters wohler,
der anderen Ding ist es, mit einer Gitarre allein auf die Bühne zu
steigen, die Dritten brauchen eine Band... . Für manche ist das eine
wie das andere nichts, weil sie nur ihre Sache zu Papier bringen, und die
Verwirklichung erklärend begleiten wollen. Wer von allem etwas
will, will viel, aber etwas zu wollen, sollte niemandem negativ ausgelegt
werden.
Seitens der öffentlich-rechtlichen Hörfunksender
werden Autorenproduktionen zwar akzeptiert, ein gewisses Unbehagen bzgl.
der Etablierung eines sich von herkömmlichen Qualitätsansprüchen
(z.B. in Sachen Produktionsbedingungen) entfernenden neuen Denkens, ist jedoch
ebenfalls festzustellen.
Ich weiß nur sehr begrenzt, welches Selbstverständnis
Redakteure und Redakteurinnen von ihrem Beruf haben. Viele wollen aber sicher
Programm machen, und nicht nur zuhören und absegnen, aber dafür
dann am Ende den Kopf hinhalten.
Die Outgesourcte Produktion verlagert die Entstehung des Werkes aus dem
Haus. Irgendwo sitzen Produktionsgemeinschaften, die kriegen Aufträge
die machen einfach so vor sich hin, wissen wie man sowas macht ... . Dann
wird abgeliefert, die Beteiligten schreiben
die Rechnung, der Redakteur zeichnet ab, das Budget ist aufgebraucht, fertig.
Freie Hörspielproduktionen sind für die Mitarbeiter
der öffentl.-rechtl. Sendeanstalten also unattraktiv, weil sie nicht
mehr in die Entstehungsprozesse der Stücke miteinbezogen werden ?
Die Redakteure sind nur dann unmittelbar beteiligt, wenn sie
sich aus dem Rundfunkgebäude bewegen, das Gemeinschaftsgefühl,
das Ausbrüten und Realisieren von Projekten im Funkhaus selber ist erschwert.
Und wenn sie sich an das Überhandnehmen dieser Produktionsweise, die
aus Kostengründen gewählt wird, gewöhnt haben, kommt der nächste
Schock: es gibt da draussen Freaks die machen alles selbst, womöglich:
sprechen sie noch selbst!
Das wäre mir erst recht unheimlich als Redakteur/In:
Wo ist hier eigentlich noch mein Platz? Bin ich nur noch Daumen hoch oder
Runterhalter? Zahlmeister? Wie machen solche Leute das?
Ist unser ganzer schöner Apparat mit den tollen Studios und unseren
Koryphäen vom Ton, diesen höchstgebildeten Ingenieuren, Meistern
und Technikern etwa überflüssig ? Bin auch ich überflüssig,
wenn ich nicht lerne, mit sowas umzugehen? Hab ich da überhaupt Lust
drauf ? Hat man beim Rundfunk nix mehr verloren, wenn man sowas nicht kann,
sondern `nur´ ab und an auch Autor/in und Regisseur/in ist und auch
mal selber spricht? Handelt es sich bei diesen Leuten um Genies, um Außerirdische,
oder schlicht um Verrückte, vor denen man sich in Acht nehmen muß?
Dann beantworten sie sich die Frage: `die Autorenproduktion
ist im Bereich des Experimentellen eine alte Sache, nur kamen früher
die Autoren, oft Komponisten oder experimentelle Sprachkünstler in Studios
und haben dort gearbeitet, weil die Technik einfach unerschwinglich, wenn
überhaupt käuflich, vor allem aber einfach zu monströs, zu
groß und zu schwer zu bedienen war, um an Produktionen gleichsam auf
dem Schreibtisch überhaupt denken zu können.´
Heute ist die Technik kein wirkliches, unlösbares Problem mehr, deshalb
bleiben manche lieber zu Hause und arbeiten dort. Vieles, was im Rundfunk
und in Experimental-Studios entwickelt oder verfeinert wurde, kostet heute
den Preis den früher eine Stunde Studiozeit kosten mußte, und
alles zusammen nimmt soviel Platz weg wie mein neumodischer PC, den ich seit
ein zwei Jahren auf dem Schreibtisch habe.´
Also verweist man die Autorenproduktion an die Radiokunst/Medienkunst,
die scheinbar oder tatsächlich experimentelle Spielwiese, und läßt
ein paar Leute da machen, das konventionelle Hörspiel aber bleibt
wie es immer war, passt sich nur dem Zeitgeist an, gut bewacht vor Unausgewogenheit
und anderem potentiellen Ärger mit dem Rundfunkrat.
Welche Möglichkeiten haben junge bzw. Nachwuchsautoren
heutzutage bei den etablierten Rundfunkanstalten ?
Als reiner Schriftsteller/in hat man gute Chancen, im
Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk vorzukommen, wenn man in anderen Medien
Beachtung gefunden hat, bspw. durch ein beachtetes Buch. Als RegisseurIn
oder TheatermacherIn hat man ebenfalls gute Chancen, im Rundfunk Beachtung
zu finden, wenn man einen ordentlichen Medienauflauf angerichtet hat, und
das Genre Enfant Terrible, zu deutsch Klassenclown und Betriebsnudel des
Feuilletons zu bedienen weiß, oder verkörpert. Man muß eine
Reputation mitbringen. Irgendeine. Dann stehen die Produktionsmittel der
Sender zur Verfügung. Alles andere ist die Ausnahme und nicht von Dauer,
so meine Erfahrung.
Es ist erfreulich, daß einige Leute, die im Rundfunk großgeworden
sind, als Praktikanten und Volontäre gearbeitet haben, sich auch an
Autorenproduktion versuchen, und das akzeptiert wird. Es gilt: man braucht
Reputation, irgendeine, um sich dort freischaffend austoben zu dürfen.
Der Sendeplätze sind wenige, es sind wohl teilweise wieder mehr geworden,
aber es sind immer noch wenige.
Für jüngere, das heißt nicht-so-etablierte Leute ist wenig
Platz, und für Original-Hörspielmacher noch weniger. Abgesehen
von der Zahl der Sendeplätze sollte nichts passieren, was anecken
könnte. Redakteure als Beschützer oder Scouts für Neues,
Unentdecktes oder Kontroverses- Das ist ein schöner Traum, der selten
wahr wird.
Ich beklage das nicht, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist auch
ein Spiegel dieser Gesellschaft, ihrer gerade gängigen Moden und Ideologien.
Also doch eher leicht kaschierte Distanz der Öffentlich-
Rechtlichen zur Autorenproduktion ?
Die Antwort des Rundfunks auf die Herausforderung der Autorenproduktion
heißt: Ein Wettbewerb mit dem Namen Plopp im Rahmen der Hörspielwoche - nach dem häufigsten Aufnahmefehler
überhaupt, dem geploppten "P" benannt. Man macht sich also lustig und
tut so, als wären da nur Leute am Werk, die eigentlich nicht wirklich
wissen können, was sie tun, fröhlich-ahnungslose Dilettanten.
Würden die strengen Maßstäbe, die an die Autorenproduktion
gerne angelegt werden, einmal an die "richtigen" Produktionen angelegt,
man wäre sicher um einige, auch gute, Sendungen ärmer.
Vorschlag: Wenn der etablierte Wettbewerb der Hörspielwoche in `Laß
gut sein, das versendet sich ´ oder `Ich hab jetzt Mittagspause´
umbenannt würde - Wäre das dann diskriminierend und Ressentiment-geladen?
Als ein Autor, der seine eigenen Hörspiele z.T. selber
vertreibt:
Bereichern Autorenproduktionen das Hörspielleben ?
Verarmen tuen sie das Hörspielleben bestimmt nicht. Es
ist eben -siehe oben- zu allererstmal eine andere Arbeitsweise, eine, die
so früher nicht möglich war, eine, die andere Ergebnisse bringen
kann, weil die Produktionsweise anders ist. Gäbe es nur Autorenproduktion,
wäre das auch eine Verarmung.
Werden Autorenproduktionen Ihrer Meinung nach von den öffentlich-rechtlichen
Sendeanstalten vernachlässigt ?
Als die Sendeplätze noch reichlicher waren, und die Taschen
voll mit Geld, wurde wohl manche herkömmliche Produktion als verdecktes
Stipendium oder als Förderprämie verstanden, und Redakteure sahen
sich als Mäzen. Das mag auch für Autorenproduktionen gegolten
haben.
Wenn aber die Taschen leer sind, und keine Wiese mehr da, auf der die armen,
aber hoffnungsvollen Kinder herumtoben und Milch direkt aus der Kuh trinken
können, auf das sie rote Bäckchen kriegen und lebenstüchtige
Redakteure werden, ist es mit dem edlen Stiftertum Essig. Dann springen
höchstens noch ab und an fünf Mark fürs Kinderhilfswerk oder
für die Stiftung `Alte Punks´ raus- Und ansonsten muß man
sich um die eigene Sippschaft kümmern, was erstmal nur natürlich
ist.
...oder sind Autorenproduktionen eher als Zeichen zu werten,
daß die öffentlich- rechtlichen Sender ihrer Aufgabe, noch nicht
etablierte Autoren zu fördern, nicht mehr ausreichend nachkommen ?
Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht ob das jemals definiert
die Aufgabe des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks war. Ich habe davon
noch nie gehört.
Kann ich also nicht beantworten.
Wirklich nicht ?
Ich würde so gerne etwas Konstruktives sagen; etwas, das
eine Brücke zwischen Autorenproduktion und Öffentlich Rechtlichem
Rundfunk -Abteilung Hörspiel und Feature- baut; aber ich kann nur berichten,
wie ich den ARD-Rundfunk erlebt und verstanden habe.
Dann sollte dies auch das unverfälschte Schlußwort
sein.
Vielen Dank für das Gespräch.